Das Verstehen der Kurse am Wind stellt für viele neue Segler eine Herausforderung dar. Auf dem Land weht der Wind und dabei ist es egal woher. Im Auto oder in der Bahn ist man nicht davon abhängig. Da der Wind auf unserem Segelboot unsere einzige Antriebsmöglichkeit darstellt, musst du die Windrichtungen lesen können. Ich habe dir hier eine Übersicht zusammengestellt und ein paar Erklärungen, die ich meinen Segelschülern mitgebe, aufgelistet.
In einem Absatz kann man es so zusammenfassen. Beim Segeln erklären dir die Kurse am Wind, aus welcher Richtung der Wind auf deine Segel trifft. Du kannst in fast alle Richtungen segeln, außer direkt in den Wind. Um effektiv zu segeln, musst du die Kurse beim Segeln verstehen, denn sie sind ausschlaggebend dafür, wie du deine Segel einstellst und wie dein Boot segelt.
Warum sind die Kurse am Wind wichtig?
Das Verstehen und Lesen von Wind ist nicht nur wichtig um zu entscheiden ob gute Bedingungen zum Segeln vorliegen, sondern auch, um effektiv von deinem Ablegeort A zu deinem Ziel B zu kommen.
Deine Segel werden nach dem relativen Einfallswinkel des Windes eingestellt. Und je nachdem wo der Wind herkommt, hat dein Boot unterschiedliche Segeleigenschaften.
Mit Hilfe einer passenden Kursänderung kannst du zum Beispiel das Segelgefühl für eine seekranke Crew verbessern.
Kurse Am Wind Übersicht
Um dir die Kurse besser vorzustellen, kannst du dir eine analoge Uhr vorstellen. Oben ist 0.00 bzw. 12.00 Uhr. Unten ist 6.00 Uhr. Nutzt du eine Kompassrose, wäre oben 360° (Nord), rechts 090° (Ost), unten 180° (Süd) und links 270° (West).
Die Beschreibung der Uhrzeit bzw. Gradzahlen ist die Richtung, in die der Bug, also der vordere Teil des Bootes, zeigt.
Wichtig: In den kommenden Beispielen kommt der Wind immer aus 12.00 Uhr bzw. 360° und ist somit identisch mit den Himmelsrichtungen. Im realen Leben kann der Wind von überall kommen. Die angegebenen Richtungen und Winkel sind immer relativ am WIND und nicht zu den Himmelsrichtungen zu verstehen.
Im Wind – No Go Area
Im Wind kann dein Boot nicht segeln. Du bleibst stehen, verlierst jegliche Manövrierbarkeit und fängst an zu treiben.
Dein Bug befindet sich zwischen ca. 11.00 und 1.00 Uhr bzw. zwischen ca. 315° und 045°.
Merke: In Südeuropa ist Siesta zwischen 11.00 und 1.00 Uhr. Da passiert genauso wenig wie für dein Segelboot, wenn dein Bug in diese Richtung zum Wind zeigt.
Die Segel und der Baum befinden sich in der Mitte des Bootes und flattern. Sie „killen“. Nicht nur werden deine Segel beim Flattern sehr in Mitleidenschaft gezogen, sondern auch du. Besonders wenn es windiger ist, stellt die killende (schlagende) Fock bzw. das Herumschwingen des Baumes eine Gefahr für die Segler dar. Gerade für Neulinge im Segelsport produziert diese Situation, aufgrund des Flatterns und der Unberechenbarkeit des Segels, viel Stress und Unbehagen.
Um deine Segel hochzuziehen (Segel setzen) bzw. herunterzuholen (Segel bergen) muss dein Boot allerdings in Windrichtung zeigen. Es muss sich also in der „Im Wind“ Zone befinden.
Wichtig: Die „Im Wind“ Zone ist kein realer Platz, auf dem du z. B. ein Hubschrauber landen kannst. Die „Im Wind“ Zone ist immer direkt an deinem Boot, egal in welche Richtung du segelst. Hiermit wird nur ein Bereich beschrieben, der sich aus Windrichtung ca. 45° links bzw. 45° rechts vom Wind befindet. Wenn du dein Boot anluvst dreht dein Boot ab einem bestimmten Punkt immer in den Wind.
Vorwind – Running
Vorwind ist der Winkel am Wind, wenn du direkt weg vom Wind segelst und somit vom Wind geschoben wirst. Du fährst dein Boot ca. Richtung 6.00 Uhr bzw. 180° relativ zum Wind. So beschreiben es immerhin die meisten. Warum ich den Vorwindkurs eher zwischen 150° – 210° bzw. 5.00 -7.00 Uhr ansehe, kannst du weiter unten im Abschnitt Raumwindkurs nachlesen.
Auf dem Vorwindkurs sind deine Segel soweit wie möglich offen (gefiert) und du versucht so viel Wind wie möglich „einzufangen“. Auf diesem Kurs segelst du dein Boot wie in alten Zeiten. Nur durch Widerstand des Windes im Segel wird dein Boot vorwärts geschoben. Dies steht also im Gegensatz zur Funktion eines modernes Segels. Dazu kannst du mehr im Artikel „Segeln, wie geht das“ lesen.
Wenn du ein Ziel direkt in Lee (weg vom Wind) hast, ist der Vorwindkurs der direkteste aber auch der langsamste Kurs beim Segeln.
Direkt auf Vorwindkurs können deine Segel entweder auf Steuerbord oder auf Backbord sein.
Wichtig: Machst du auf diesem Kurs einen gröberen Steuerfehler, d. h. du steuerst zu viel nach Lee (dorthin wo das Segel ist), kann es zu einer ungewollten Halse, einer Patenthalse, kommen. Dabei schwingt der Baum mit hohem Tempo auf die andere Seite und es besteht die Gefahr, dass jemand den Baum gegen Körper oder Kopf bekommt, sich verletzt oder über Bord geht!
Detailliertere Erläuterungen über den Vorwindkurs, dessen Segelstellung und seiner Tücken findest du, wenn du auf den Link klickst.
Halbwindkurs – Beam Reach
Kommt der Wind relativ vom Boot aus 90°, wird dieser Kurs als Halbwindkurs bezeichnet. Es gibt Debatten, ob wir hierbei vom wahren oder scheinbaren Wind ausgehen. Ich nutze den wahren Wind, um den Halbwindkurs zu erklären. Meine Segel stelle ich jedoch nach scheinbarem Wind ein.
Wenn ich auf Halbwind segel, dann bedeutet das für mich, dass ich zwischen 3.00 Uhr und 9.00 Uhr bzw. zwischen 090° und 270° segel. Ich komme dementsprechend weder nördlicher noch südlicher auf meiner Uhr bzw. Kompassrose.
Der Halbe Wind Kurs ist für viele Segler der spaßigste Kurs. Die Segel sind gut gefüllt, das Boot bekommt eine angenehme Schräglage und man muss sich nicht mit dem effektiven Segeln von A nach B beschäftigen. Man segelt einfach nur hin und her.
Beim Jollen- und Katamaransegeln ist der Halbwindkurs, aufgrund der großen seitlich auftretenden Kräfte, für viele Kenterungen verantwortlich.
Für weitere Details kannst du im Artikel Halbwind mehr erfahren.
Am Wind Kurs – Close reach
Auch wenn es „Am Wind Kurs“ heißt, ist es nicht nur ein Kurs. Der „Am Wind“ Kurs deckt alle Kurse zwischen Halbwindkurs und „Im Wind“ ab. Nehmen wir das Beispiel Uhr, dann ist dein Kurs entweder zwischen 9.00 Uhr und 11.00 Uhr oder zwischen 3.00 Uhr und 1.00 Uhr. Nutzen wir die Kompassrose dann liegen die Kurse zwischen 270° und 315° bzw. zwischen 090° und 045°.
Es gibt zwei Zonen, da du das Segel entweder auf Steuerbord oder auf Backbord hast.
Was bedeutet das für deine Segeleinstellung? Deine Segel sind sehr dicht geholt. Trotzdem musst du weiterhin deine Segel passend zum Wind einstellen, damit sie konstant effektiven Vortrieb generieren.
Nur auf einem bestimmten Kurs ist die Segeleinstellung konstant! Dieser Kurs wird „Hoch am Wind“ bezeichnet.
Ein Manöver von „Am Wind“ mit Segel auf Steuerbord (rechts) zu „Am Wind“ mit Segel auf Backbord (links) heißt Wende. Gleiches gilt umgekehrt.
Machst du solche Manöver häufiger und läufst konstant Höhe (segelst Richtung Wind), nennen wir das Kreuzen.
Hoch am Wind – CLOSE HAULED
Der „Hoch am Wind“ Kurs, ist der Kurs relativ zum Wind, bei dem dein Boot genau auf der Grenze zum „Im Wind“ Bereich segelt. Theoretisch wäre es genau 11.00 Uhr (315°) bzw. 1.00 Uhr (045°).
Dabei musst du jedoch folgendes beachten:
Die 045° rechts und links vom Wind, und damit die Grenzen der „Im Wind“ Zone sind für jedes Boot unterschiedlich. Es können auch je 035° oder 055° sein.
Außerdem, jedes Mal wenn sich
- die Stärke des Windes
- der Einfallswinkel des Windes oder
- die Geschwindigkeit deines Bootes
verändern, verändert sich auch die Richtung des scheinbaren Windes, der für deine Segelstellung ausschlaggebend ist.
In Wahrheit ist der „Hoch am Wind“ Kurs keine gerade Linie, sondern eine Schlangenlinie, denn die drei benannten Faktoren sind zu keinem Zeitpunkt gleichzeitig konstant. Außer dein Boot steht in der Segelhalle.
Du musst die Richtung deines Bootes konstant an den scheinbaren Wind anpassen, um „Hoch am Wind“ zu segeln. Machst du das nicht, bist du entweder „Im Wind“ oder auf „Am Wind“.
Ein Manöver von „Hoch am Wind“ mit Segel auf Steuerbord (rechts) zu „Hoch am Wind“ mit Segel auf Backbord (links) heißt ebenso Wende und ist genau das gleiche wie von „Am Wind“ zu „Am Wind“, allerdings effektiver, da der Wendewinkel kleiner ist. Gleiches gilt umgekehrt.
Raumwindkurs / Raumschotskurs – BROADREACH
Persönlich würde ich nie Raumschotskurs sagen. Da es jedoch immer wieder auftaucht, erscheint es bei mir nun auch mit als Überschrift.
Raumwindkurs sind alle Kurse zwischen Halbwind und Vorwind Kurs. Den Halbwindkurs können wir relativ genau mit 9.00 Uhr (270°) bzw. 3.00 Uhr (090°) festlegen. Auch wenn, wie oben und in anderer Literatur, bei Vorwindkurs von einem Kurs von 180° relativ zum Wind gesprochen wird, ist das für mich etwas schwammig, wo genau der Raumwindkurs aufhört.
Auf Raumwindkurs hast du eine Strömung um das Segel und es wird Auftrieb generiert. Auf Vorwind Kurs ist das nicht so. Hier ist es Vortrieb durch Widerstand. Da dies abhängig vom Boot bereits bei ca. 210° bzw. 150° passiert, hört für mich der Raumwindkurs dort auf.
Für mich gilt also: Raumwindkurs ist zwischen 9.00 Uhr (270°) und ca. 7.00 (210°) Uhr bzw. 3.00 Uhr (090°) und 5.00 Uhr (150°).
Hin oder her – welche Gradzahl am Ende den Raumwindkurs genau bezeichnet, ist eher unwichtig. Hauptsache ist, dass deine Segel relativ weit gefiert, also offen sind. Auf diesem Kurs liegt dein Segelboot ruhiger auf dem Wasser und hat nur wenig bis gar keine Krängung (Schräglage).
Der Raumwindkurs ist der schnellste segelbare Kurs, ungeachtet davon, dass der scheinbare Wind, vergleichsweise zu anderen Kursen, weniger erscheint.
Ein Manöver von Raumwindkurs mit Segel auf Steuerbord (rechts) zum Raumwindkurs mit Segel auf Backbord (links) heißt Halse. Gleiches gilt umgekehrt.
Passiert das ungewollt, ist das eine Patenthalse.
Gehst du von Raumwindkurs zu Raumwindkurs mit einer Wende, heißt das Q-Wende. Ein Manöver, wenn dem Skipper die Halse zu gefährlich scheint.
Noch mehr Informationen findest du im Artikel über den Raumwindkurs.
Zusammenfassung Kurse Am Wind
- „Im Wind“ kannst du nicht segeln
- „Am Wind“ segelst du in Richtung Wind, das Boot liegt oft schräg, der Wind fühlt sich stark an, „Am Wind“ zu „Am Wind“ = Wende
- „Hoch am Wind“, wie „Am Wind“, näher an den Wind kann kein Segelboot segeln
- „Halbwind“, du segelst weder nach Luv, noch nach Lee, oft der spaßigste Kurs
- „Raumwind“, dein Boot bewegt sich schräg weg vom Wind, es liegt ruhiger im Wasser, schnellster Kurs, Wind fühlt sich schwächer an, „Raumwind“ zu „Raumwind“ = Halse
- „Vorwind“, langsamster Kurs, kürzester Kurs nach Lee, Boot liegt unruhig im Wasser, wenn es Wellen gibt, Gefahr der Patenthalse
Sind dir einige Begriffe nicht bekannt, dann empfehle ich dir das Seglerlatein auf Segelplanet.de – Segelbegriffe für Anfänger auf Deutsch & Englisch einfach erklärt.
Hi Tom, klasse Beschreibung!
Eine Frage habe ich: In der 2. Grafik fährt das Boot bei Vorwindkurs Richtung 11 Uhr.
Fährt man bei Vorwind nicht Richtung 11 Uhr?
Danke!
Benno
Das zweite 11 muss 18 Uhr heißen, sorry
Hey Benno, das ist ein Fehler. Danke für den Hinweis. Anstelle von Vorwind sollte dort Am Wind Kurs stehen.
Denn ja, Vorwindkurs ist in Richtung 6 Uhr auf der Uhr.
Hab ich meiner To-Do Liste hinzugefügt!
Edit: nun verändert
Tom