Die Bestimmung der wahren Windrichtung beim Segeln ist für sicheres und effektives Segeln wichtig. Allerdings fällt mir immer wieder auf, dass viele Schwierigkeiten mit dem Erkennen des wahren Windes an Land und auf dem Wasser haben.
Dabei benötigst du dieses Verständnis um z. B. an- und abzulegen, an einer Boje festzumachen oder im Notfall eine über Bord gegangen Person wieder aufzunehmen. Darüber heraus macht es dich zu einem besseren und effektiveren Segler auf allen Kursen zum Wind.
Mehr als nur ein Wind
Ist dir bekannt, dass es drei Winde gibt?
Diese sind:
- Fahrtwind
- Scheinbarer Wind
- Wahrer Wind
Wahrer Wind ist der atmosphärische Wind, den du spürst, wenn du still an Land stehst. Für Manöver wie die Wende, der Halse oder zum effektiven Kreuzen, an- und ablegen bzw. für ein Person-über-Bord-Manöver ist der wahre Wind grundlegend.
Fahrtwind ist der Wind, denn wir spüren, wenn es keinen atmosphärischen Wind gibt und wir uns bewegen.
Scheinbarer Wind ist die Kombination aus Fahrtwind und wahrem Wind.
Wenn wir segeln, dann stellen wir unsere Segel nach dem scheinbaren Wind ein! Da sich dieser jedoch bei jeder Veränderung von wahrer Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Bootsgeschwindigkeit verändert, ist es wirklich wichtig zu verstehen, wo der wahre Wind herkommt. Verstehst du das, wird Segeln 100 mal einfacher!
Der scheinbare Wind ist darüber hinaus ein wirklich interessantes und wichtiges Thema. Darum lege ich dir den Artikel über „Scheinbaren Wind“ ans Herz.
Evolution bei der Winderkennung
Übrigens, die typische Evolution beim Bestimmen des Windes ist:
- Ich habe keine Ahnung wo der Wind herkommt. Ich mache was mir der Segellehrer sagt.
- Ungefähr weiß ich was ich mache und wo der Wind herkommt (na ja eigentlich nicht). Mein Boot fährt ja und irgendwie komme ich an.
- Ich nutze Hilfsmittel, um den Wind zu erkennen (mehr dazu weiter unten).
- Ich spüre den Wind und fühle wie das Boot reagiert.
- Ich bin der Wind und mache viel Wind um nichts. Besonders die „Experten“ unter den Seglern neigen etwas dazu.
Viele glauben, sie sind auf Level 5, bleiben aber eigentlich auf Level 2 stehen und kratzen gerade einmal an Level 3.
Damit das bei dir nicht auch so ist, hier meine Erfahrungen wie du beim Segeln die wahre Windrichtung bestimmen kannst. Es folgen Tipps wie das an Land und wie auf dem Wasser funktioniert.
Übrigens: Zu Level 4 kann man erläutern, wie sich es anfühlt. Um jedoch auf das Level zu kommen, braucht man praktische Segelerfahrung und eine gute Grundlage.
Grundlagen beim Bestimmen des Windes
Wenn du und ich uns morgen beim Segeln treffen und wir uns über den Wind unterhalten, dann gibt es zwei Faktoren, die von Interesse sind. Diese sind
- Windrichtung
- Windstärke
Wie du den Wind benennst oder wie stark er ist, mag für einen Anfänger nicht von Priorität sein. Kennst du jedoch die wenigen Grundlagen, kommst du gleich mehr wie ein erfahrener Segler rüber.
Windrichtung
Die Windrichtung wird immer mit der Himmelsrichtung angegeben von wo der Wind herkommt. So ist ein Nord Wind, ein Wind, der aus Norden kommt und nach Süden weht. Dementsprechend hat West Wind seinen Ursprung im Westen und weht nach Osten.
Da das eine recht grobe Beschreibung ist, nutzt man so gut wie immer zwei Himmelsrichtungen zur Verdeutlichung (nur wenn der Wind nicht direkt aus N, S, O oder W kommt). Natürlich immer in einer Kombination aus Nord (Abkürzung = N) und Ost (O) bzw. West (W). Oder man nutzt Süd (S) in Kombination mit Ost (O) bzw. West (W).
Einen Nord – Süd Wind bzw. Ost – West Wind gibt es meines Wissens noch nicht.
Wichtig und nochmal zur Wiederholung: Die Windrichtung ist immer die Richtung, wo der Wind herkommt!
Merke: Oft werden die Englischen Abkürzungen zur Darstellung auf Windrosen genutzt. Diese sind N für North (Norden), E für East (Osten), W für West (Westen) und S für South (Süden)
Windstärke
Die Windstärke beschreibt die Kraft des Windes. In Nachrichten für Landratten wird die Windgeschwindkeit gewöhnlich in km/h (Kilometer pro Stunde), manchmal auch in m/s (Meter pro Sekunde) angeben.
Im Segeln spricht man üblicherweise von Knoten. Ein Knoten Windstärke entspricht dabei 1,852 km/h.
Nimmst du die km/h Angabe und teilst diese durch 2, liegst du nah genug dran. Taschenrechner kannst du zu Hause lassen.
Zur Klassifizierung von Windgeschwindigkeiten nutzen wir die Beaufortskala. Auf dieser finden sich die Windgeschwindigkeiten von Windstärke 0 (Windstille) bis hin zu Windstärke 12 (Orkan).
Bei welcher Windstärke du segeln gehst, hängt allein von dir, deinem Können und deinem Boot ab. Die Frage „Bis wie viel Wind gehe ich segeln?“ ist dementsprechend hinfällig. Persönlich finde ich Segeln ab 4 Windstärken interessant. Als Anfänger ist man aber auch mit 1-2 Windstärken gut und gerne bedient.
Bestimmung Windrichtung an Land
Bevor du überhaupt auf ein Boot springst, musst du an Land festlegen wo der Wind herkommt. Das entscheidet, wie du dein Segel setzt, wo du ablegst und ob du überhaupt segeln gehst.
Meine Top Tipps zur Bestimmung des Windes an Land sind folgende. Organisiert von „nutze ich immer“ und sehr nützlich bis hin zu „na ja, das hilft nicht wirklich“.
Das Ohrenrauschen
Diesen Ablauf nutze ich persönlich selbst jedes Mal und bringe sie ebenso jedem Segelschüler bei.
Mach folgendes:
- Schließe die Augen
- Drehe dich langsam im Kreis bis du in beiden Ohren ein Rauschen hörst
- Strecke die Arme schräg nach vorne als ob du jemand umarmen möchtest
- Öffne die Augen
Deine Nase zeigt jetzt genau in die Richtung, wo der Wind herkommt. Denn rauscht es in beiden Ohren, weht der Wind direkt rein.
Deine ausgestreckten Arme zeigen dir deine Im Wind Zone (No Go Zone) und verdeutlichen in welche Richtung du nicht direkt segeln kannst.
Versuche diese Methode das nächste Mal wenn du am See spazieren gehst und hör wie es in den Ohren rauscht.
Die Augen kannst du auch gerne offen lassen und dein Arme musst du nicht ausstrecken, wenn du nicht willst.
Fazit: Mein Favorit und geht an Land immer
Verklicker auf Booten an Land oder am Steg
Auf den meisten Kielbooten findest du Verklicker auf dem Masttop. Das sind häufig Pfeile, die in Richtung Wind zeigen oder Fähnchen, die vom Wind weg zeigen. An denen kannst du ebenso ablesen, was der Wind gerade macht.
Allerdings sind diese Verklicker klein und oft weiter weg. Außerdem reagieren sie auf jede kleine Veränderung der Windrichtung. Bedenke, dass an Land viele Turbulenzen auftreten können.
Fazit: Ein Blick den Mast rauf schadet nie
Windsack
Windsäcke finde ich sehr nützlich zur Winderkennung. Jedoch werden diese zu wenig genutzt. Dabei sind sie recht günstig. Windsäcke gibt es schon ab 10 Euro (Link zu Amazon*). Sie sehen vielleicht nicht so toll aus wie Fahnen, haben aber einen deutlichen Mehrwert gegenüber diesen.
Fazit: Gerne mehr davon
Boot vor Anker oder an Bojen befestigt
Diese Methode funktioniert nur in Gewässern ohne Strömung und wenn du überhaupt Boote in deiner Nähe siehst.
Geankerte und an Bojen befestigte Boote werden immer nach Lee weggedrückt. Gleichzeitig sind die Boote am Bug befestigt und können nicht weg. Es folgt, dass diese Boote, egal ob Segelboot oder Motorboot, immer in den Wind zeigen. Größere und schwere Boote sind träger und reagieren weniger auf kurzfristig auftretenden Winddreher. Sie sind dadurch besser geeignet um die wahre Windrichtung zu bestimmen.
Nachteil ist, dass man nicht immer genau erkennen kann, in welche Richtung das Boot zeigt. Es ist dennoch 10 mal besser als die folgenden Methoden.
Fazit: Ziemlich genau zur Meinungsbildung
Flaggen an Land
Flaggen an Land können als grobes Hilfsmittel zu Winderkennung dienen. Da sie aber flattern ist eine genaue Bestimmung schwer. Je stärker der Wind wird, desto genauer kannst du allerdings die Windrichtung bestimmen. Wenn es nämlich richtig ballert, dann stehen die Flaggen wie ein Brett am Flaggenmast.
Flaggen an Land können besonders dann hilfreich sein, wenn vor Ort viele verschiedene Winde, z. B. bei Windrichtungswechsel, wehen. Dann kannst du gut erkennen, welche Windrichtung am Strand ist, während du vielleicht 200 Meter vom Land entfernt eine komplett andere hast.
Fazit: Wenn man sonst nichts hat
Feuchte Finger
Die am meisten verbreitetste, jedoch für mich die schlechteste, Methode ist der feuchte Finger. Frag mal auf der Straße herum wie Leute die Windrichtung bestimmen. Die Mehrzahl steckt sicher kurz den Finger in den Mund und sagt: „So!“.
Für mich eine untaugliche Landrattenmethode. Mit Genauigkeit hat das nichts zu tun, denn Wind spürst du auf deinem halben Finger und somit mit einer Streuung von 180°.
Fazit: Landratte in Sicht
Merke: Die Winderkennung an Land ist eine Momentaufnahme. Auf dem Wasser oder 500 m weiter entfernt kann aufgrund von lokalen Anomalien die Windrichtung anders sein. Wind ist nicht konstant und kann sich jederzeit verändern.
Wahre Windrichtung auf dem Wasser bestimmen
Auch hier gilt eine Anordnung von sehr nützlich bis weniger genau. Einen „Windanzeiger bzw. Verklicker auf deinem Boot“ findest du auf dieser Liste nicht, denn dieser zeigt immer nur den scheinbaren Wind an.
Zur Bestimmung des wahren Windes beim Segeln helfen diese demnach nicht.
Eine Wende fahren
Meine Lieblingsmethode, um genau zu bestimmen, wo der wahre Wind herkommt, ist das Wenden. Das bedeutet etwas Mehrarbeit, ist aber umso genauer.
Bei einer Wende kommt der wahre Wind und der Fahrtwind kurzzeitig aus der gleichen Richtung (also scheinbare Windrichtung = wahre Windrichtung). Dies geschieht genau dann, wenn der Baum in der Mitte vom Boot ist oder dein Windanzeiger nach vorne zeigt.
In diesem Moment schaust du direkt voraus. Der wahre Wind kommt direkt über deinen Bug.
Einfach oder?
Fazit: Merken und weiter sagen
Geankerte oder an Boje befestigte Boote
Wie zur Windbestimmung des wahren Windes an Land sind geankerte bzw. an Bojen festgemachte Boote ein super Hilfsmittel und sogar recht genau.
Ein geankertes Boot zeigt genau in den Wind. Ist dein Kurs ca. 45° links oder rechts von dieser Richtung bist du auf Am Wind Kurs. (Falls du nicht weißt, was das bedeutet, kannst du es in diesem Artikel nachlesen).
Fazit: Sehr nützlich ohne viel zu machen
Windmesser Elektronik (Yachten)
Ist dein Boot groß genug und hat die passende Elektronik, kannst du den wahren Wind durch die Maschine anzeigen lassen.
Voraussetzung ist allerdings, dass deine Logge (ein kleines Rädchen unter dem Boot) richtig eingebaut ist. Die Logge misst die Fahrtgeschwindigkeit die mehr oder weniger identisch mit dem Fahrtwind ist. Wurde dieses Rädchen nicht 100 % gerade eingebaut oder ist mit Seegras verstopft, geht die ganze Berechnung aus scheinbaren Wind und Fahrtgeschwindigkeit nicht auf und die wahre Windrichtung wird falsch angezeigt.
Fazit: Sehr gut und simpel (falls vorhanden und richtig installiert)
Eine Wende bei anderen beobachten
Bist du nicht allein auf dem Wasser und zu faul eine eigene Wende zu machen, kannst du warten, bis ein anderes Boot dieses Manöver fährt. Wie bei deiner eigenen Wende erkennst du die wahre Windrichtung im Moment, in dem der Baum direkt in der Mitte vom Boot ist.
Fazit: 3 von 5 Sternen, da auf andere Boote angewiesen.
Wellen
Wellen verlaufen in Gewässern ohne Strömung 90° zur Windrichtung. Viele schwören darauf. Persönlich finde ich es nicht so hilfreich. Meist ist das Wasser kabbelig und andere Effekte, neben dem Wind, beeinflussen das Erscheinungsbild. Nicht wirklich Anfänger tauglich.
Fazit: Wenn man sonst nichts hat
Verklicker auf nicht fahrenden Booten
Viel zu klein, um aus der Ferne vom Wasser zu sehen. Das ist ein Job für das Fernglas.
Fazit: Wird schwer
Wolken & Bäume
Beides hat eine Berechtigung, jedoch ist ein Baum auf dem Meer selten und Wolken im Himmel haben nicht immer die gleiche Windrichtung.
Fazit: Lieber nicht
Nasser Finger
Wie auf dem Land ist ein nasser Finger zu ungenau. Außerdem spürt man auf dem Wasser nur den scheinbaren Wind und somit nicht den gesuchten wahren Wind.
Fazit: Untauglich
Sind dir einige Begriffe nicht bekannt, dann empfehle ich dir das Seglerlatein auf Segelplanet.de – Segelbegriffe für Anfänger auf Deutsch & Englisch einfach erklärt.
SegelPlanet.de ist Teil des Amazon EU Partnerprogramms. Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Links sind sogenannte Affiliate-Links (d.h. Werbung). Wenn du auf so einen Affiliate-Link klickst, bekomme ich von Amazon bzw. dem Werbepartner eine kleine Provision für jeden qualifizierenden Verkauf. Für dich verändert sich der Preis nicht. Du hilfst mir damit die laufenden Kosten dieser Webseite zu decken und mir etwas Nutella als Nervennahrung zum Schreiben zu erwerben. Danke!
Amazon und das Amazon-Logo sind Warenzeichen von Amazon.com, Inc. oder eines seiner verbundenen Unternehmen.
SegelPlanet.de ist ebenso Teil des Partnerprogramms von My-Days, segeln-lernen.de, Manöverschluck.de, Bootsschule1 und erhält eine kleine Provision für das Vermitteln von Kunden.
Windstärke/Windgeschwindigkeit. Diese beiden Begriffe sollten auseinander gehalten werden.
Während die Windstärke auf die erzeugte Kraft und die Kraftwirkungen (Phänomene an Land (Rauch, Zweige usw.) und auf dem Wasser (Wellenbild, Segelführung)) abhebt, ist die Windgeschwindigkeit die Strömungsgeschwindikeit der Luftteilchen. Die Windstärke wird anhand der Erscheinungen geschätzt und die Windgeschwindigkeit gemessen.
Bei der Beurteilung der Windrichtung anhand der Bojenlieger fehlt der Hinweis, das schwere Boote einer Richtungsänderg verzögert folgen und daher nur die Richtung vor der Änderung ablesbar ist.
Helmut, danke für dein Kommentar,
So genau ich es hier manchmal nehme – viele Dinge sind an Nicht-Profi (bzw. Anfänger) Segler gerichtet und deswegen muss es auch nicht immer bis ins kleinste Detail gehen.
Hinweise sind natürlich aufgenommen und werden vielleicht irgendwann mal irgendwo eingearbeitet.
Danke
Tom