Radeffekt Boot – Verstehen, Nutzen & Hafenmanöver

Du hast sicher festgestellt, dass du dein Boot in eine Richtung besser drehen kannst. Beim Aufstoppen oder Einparken bricht dein Heck immer wieder aus, ohne dass du das willst? Kennen wir alle!

Man redet dabei vom Radeffekt. Diesen kann man nicht beeinflussen, jedoch zu seinem Nutzen machen.

Was ist der Radeffekt und wie wirkt er sich auf das Fahren aus?

Der Radeffekt ist ein Phänomen der Schifffahrt. Er tritt bei Booten (Segelyachten und Motorbooten) mit Maschinenantrieb auf. Dabei kommt es zu einem seitlichen Ver­set­zen des Hecks. Die Ursache hierfür liegt in der Drehrichtung des Propellers.

Häufig findet man rechtsdrehende Propeller. Beim Aufstoppen im Rückwärtsgang wird dabei das Heck nach links verschoben. Das bedeutet, dass beim längsseits Anlegen die Backbordseite bevorzugt ist.

Ich zeige dir die Unterschiede zwischen links- und rechtsdrehenden Propellern, wie du den Radeffekt beim Manövrieren nutzt und wie du die Drehrichtung der Schraube selber herausfinden kannst.

Radeffekt mit rechtsdrehendem Propeller

Wohin zieht ein rechtsdrehender Propeller?

  • In Vorausfahrt dreht ein rechtsdrehender Propeller im Uhrzeigersinn / rechts herum – von hinten betrachtet
  • Bei Rückwärtsfahrt dreht der Propeller andersherum. Der Propeller dreht dann links herum.
  • Durch den Radeffekt wird das Heck in Rückwärtsfahrt nach links versetzt.
  • Beim Anlegen ist für eine rechtsdrehende Schraube Backbord als Anlegeseite empfehlenswert. Der Radeffekt zieht das Heck zum Steg nach links.

Radeffekt mit linksdrehendem Propeller

Wohin zieht ein linksdrehender Propeller?

  • In Vorausfahrt dreht ein linksdrehender Propeller gegen Uhrzeigersinn / links herum – von hinten betrachtet
  • Bei Rückwärtsfahrt dreht der Propeller andersherum. Der Propeller dreht dann rechts herum.
  • Durch den Radeffekt wird das Heck in Rückwärtsfahrt nach rechts versetzt.
  • Beim Anlegen ist für eine linksdrehende Schraube Steuerbord als Anlegeseite empfehlenswert. Der Radeffekt zieht das Heck zum Steg nach rechts.

Radeffekt mit Außenbordmotor

Ein Außenbordmotor hat ebenso eine sich drehende Schraube. Deshalb hat dieser auch einen Radeffekt. Jedoch kann dieser beim Außenbordmotor ziemlich vernachlässigt werden.

Der Schiffsführer kann durch Lenken und Drehen des Motors den Schraubenstrom beeinflussen. Dies hat einen größeren Einfluss auf die Bewegung des Hecks, als der Radeffekt.

Voraussetzung ist, dass der Außenborder drehbar ist und nicht nur am Spiegel des Bootes hängt.

Somit sollte beim Aufstoppen am Steg immer in Richtung Steg gelenkt werden. Das Heck wird dann zum Steg gesaugt.

Wirkt der Radeffekt immer?

Der Radeffekt ist ein Phänomen, das sowohl vorwärts und rückwärts auftritt.

In Vorwärtsfahrt lenkt man jedoch intuitiv gegen diesen Effekt. Deswegen scheint der Effekt kaum oder gar nicht aufzutreten. Teste dies, wenn dein Boot keine Fahrt hat. Stelle das Ruder mittig. Gib vorwärts Gas. Du wirst ein leichtes Versetzen des Hecks bemerken.

In Rückwärtsfahrt erscheint der Effekt deutlich stärker. Das liegt unter anderem daran, dass man nicht so oft rückwärts fährt. Ebenso wird das Ruder, im Gegensatz zu vorwärts, dabei nicht angestrahlt. Der Radeffekt kann so nicht durch Lenken ausgeglichen werden. Erst, wenn das Schiff Fahrt aufnimmt, greift das Ruder wieder.

Nutzen des Radeffekts beim Manövrieren

Der Radeffekt ist nicht nur eine nervige Erscheinung. Er kann ebenso zum besseren Manövrieren beitragen.

Folgend ein paar Möglichkeiten, den Radeffekt zu deinem Vorteil zu nutzen.

Seitliches Anlegen am Steg

Am häufigsten spricht man im Zusammenhang mit dem Radeffekt über das seitliche Anlegen.

Beim längsseits Anlegen am Steg hilft der Versatz des Hecks während des Aufstoppens besonders.

Hierzu wählt man die bevorzugte Seite des Schiffs als Anlegeseite. Diese Seite wird oft auch als Schokoladenseite bezeichnet.

Wie erwähnt, wird das Heck bei rechtsdrehender Schraube in Rückwärtsfahrt nach links versetzt. Bei linksdrehender Schraube geht das Heck in Rückwärtsfahrt nach rechts.

Daraus folgt, bei rechtsdrehenden Schrauben ist die Backbordseite die Schokoladenseite. Bei linksdrehenden Schrauben ist es die Steuerbordseite.

  1. Beim Einparken fährt das Boot mit einem flachen Winkel (30 – 40 Grad) langsam Richtung Parklücke auf den Steg zu. Kurz vorm Steg sollte das Boot noch leicht schräg stehen.
  2. Zum Anhalten wird kräftig Schub nach hinten gegeben. Der Radeffekt wirkt und das Heck wird zum Steg gezogen. Das Schiff steht nun parallel zum Steg.

Ich vergleiche dieses Manöver gerne mit dem Anziehen der Handbremse des Autos auf Eis. Das Heck driftet regelrecht in die Lücke rein.

Drehen auf engem Raum

Eine Segelyacht oder ein Motorboot auf engem Raum drehen ist an sich nicht schwer. Oft wird dies notwendig in engen Hafenmanövern. Mithilfe des Radeffekts gibt es jedoch eine bevorzugte Seite.

Drehen über die bevorzugte Seite

Beim Drehen über die bevorzugte Seite hilft der Radeffekt. Bei rechtsdrehenden Schrauben ist das Drehen nach Steuerbord bevorzugt.

Ein Beispiel bei rechtsdrehender Schraube:

  1. Einleitung der Drehung durch Schub voraus und Steuerbord Ruder
  2. Rückwärtsschub – Der Radeffekt zieht dabei das Heck nach Backbord und unterstützt die Drehung. Ruderlage erst hart nach Backbord ändern, wenn die Yacht steht bzw. Fahrt aufgenommen hat. Sonst konstant Ruder auf Steuerbord belassen.
  3. Kräftiger Schub voraus, mit Ruder hart Steuerbord. Wenn das Boot Fahrt aufnimmt, Gas reduzieren.

Drehen über die benachteiligte Seite

Unter Motor auf engem Raum gegen die bevorzugte Seite wenden ist sehr schwer bis unmöglich. Der Radeffekt bremst die Drehbewegung beim Aufstoppen jeweils. Oft wird die Drehung nicht nur gebremst, sondern das Boot dreht in die falsche Richtung zurück.

Ein Beispiel bei rechtsdrehender Schraube:

  1. Schub voraus mit Ruder Backbord. Drehung wird eingeleitet.
  2. Beim Aufstoppen dreht die Schraube nun linksrum. Das Heck wird nach Backbord versetzt. Trotz geänderter Ruderlage nach Steuerbord kann dem Radeffekt nicht entgegengewirkt werden. Folglich dreht das Heck nach Backbord zurück. In die falsche Richtung.
  3. Ruder hart Backbord und wieder Schub voraus. Die Segelyacht dreht wieder in die richtige Richtung. Für eine komplette Wende reicht es aber nicht.
  4. Es entsteht ein Vor- und Zurückschaukeln und ein Abtreiben nach Lee. Auf engem Raum geht dann irgendwann der Raum in Lee aus.

Das Manöver klappt so nicht!

Vorhalten

Beim Einparken in eine Box fährt man die Yacht nicht direkt gerade herein. Man hält etwas vor. Das bedeutet, man kommt in einem Winkel hereingefahren.

Durch das Aufstoppen und den Radeffekt wird das Boot dann gerade gezogen.

Achte darauf, in welche Richtung der Radeffet zieht. Sonst stehst du noch schräger da.

Ablegen aus der Box

Beim Ablegen aus einer Box gilt der gleiche Gedanke. Nutze den Radeffekt zu deinem Vorteil.

Beim Verlassen einer Box ist die Seite bevorzugt, in die das Heck bei Rückwärtsfahrt ausbricht. Mit rechtsdrehendem Propeller ist das Herausfahren nach Backbord bevorzugt.

Eselsbrücke zum Radeffekt

Damit du dir merken kannst, wie herum deine Schraube vorwärts und wie rückwärts dreht, kannst du folgendes als eine Art Eselsbrücke nutzen. Dazu benötigst du nur deine Hand. Dein Daumen zeigt immer die Richtung an, in die dein Heck aufgrund des Radeffekts geht.

Wenn du gar nicht erst weißt, wie herum deine Schraube dreht, kannst du weiter unten herausfinden, wie du die Schraubenrichtung testen kannst.

Rechtsdrehende Schraube

Rechtsdrehende Schraube bei Vorwärtsfahrt: Rechte Hand – Handfläche nach oben (Vorhand) – Daumen rechts – Heck rechts

Rechtsdrehende Schraube bei Rückwärtsfahrt: Rechte Hand – Handrücken nach oben (Rückhand) – Daumen links – Heck links

Linksdrehende Schraube

Linksdrehende Schraube bei Vorwärtsfahrt: Linke Hand – Handfläche nach oben (Vorhand) – Daumen links – Heck links

Linksdrehende Schraube bei Rückwärtsfahrt: Linke Hand -Handrücken nach oben (Rückhand) – Daumen rechts – Heck rechts

Test: In welche Richtung dreht sich eine Schiffsschraube?

Wie kannst du herausfinden, wie der Radeffekt wirkt? Dreht deine Schraube linksherum oder rechtsherum? Bei Booten mit sichtbarer Schraube, z. B. dem Außenbordmotor, kann man es von oben sehen. Sonst sieht man jedoch nichts. In das Wasser hinter dem Motor- oder Segelboot springst du bitte nicht!

Ich biete dir 3 einfache Möglichkeiten:

  • Aufstoppen
  • 360 Grad drehen
  • In der Box testen

Aufstoppen

  • Fahre bei wenig bzw. keinem Wind direkt in den Wind geradeaus.
  • Markiere die Mittelstellung deines Ruders.
  • Stoppe mithilfe des Rückwärtsgangs auf. Ruder dabei mittig.

Bricht das Heck nach links (Backbord) aus, hat das Schiff eine rechtsdrehende Schraube.

Wird dein Heck nach rechts (Steuerbord) versetzt, hast du eine linksgängige Schraube.

360 Grad auf der Stelle fahren

Du drehst mit deinem Boot eine komplette 360 Grad Runde auf der Stelle. Teste dies bei möglichst wenig bis keinem Wind und keiner Welle. Ein geschützter Hafen eignet sich super dafür. Nutze deinen Motor, um dein Boot auf der Stelle im Kreis zu drehen. Bei Segelbooten sind die Segel nicht gesetzt.

Drehen nach Steuerbord

  • Starte mit Ruder hart nach Steuerbord und gib einen Vorwärtsschub.
  • Leerlauf
  • Ruder hart Backbord und gib Rückwärtsschub
  • Leerlauf
  • etc. bis du 360 Grad auf der Stelle geschafft hast.
  • Je nach Boot benötigst du 4 bis 10 Züge

Drehen nach Backbord

  • Starte mit Ruder hart nach Backbord und gib einen Vorwärtsschub.
  • Leerlauf
  • Ruder hart Steuerbord und gib Rückwärtsschub
  • Leerlauf
  • etc. bis du 360 Grad auf der Stelle geschafft hast.
  • Je nach Boot benötigst du 4 bis 10 Züge

Dreht dein Boot besser nach Steuerbord, dann hast du eine rechtsgängige Schraube. Beim Rückwärtsschub unterstützt der Radeffekt die Drehung. Dein Heck wird dabei nach links gezogen.

Dreht dein Boot besser nach Backbord, dann hast du eine linksdrehende Schraube. Der Radeffekt zieht dein Heck nach Steuerbord beim Rückwärtsgang einlegen.

Rückwärtsgang in der Box

Während du in der Box liegst, kannst du ebenso die Schraubenrichtung feststellen. In der Box liegen bedeutet, dass du mit deinem Heck Richtung Steg liegst. Links und rechts ist etwas Platz.

Achte darauf, dass noch alle Leinen fest sind und dein Boot nicht losfährt oder du beim Nachbarn aneckst. Sicherheitshalber einen Fender an das Heck halten.

  • Lege den Rückwärtsgang ein.
  • Schaue, auf welcher Seite des Bootes das Wasser herausgeschoben wird. Du erkennst das an dem Wasserstrudel.
  • Achte auch darauf in welche Richtung dein Heck dreht beim Gang einlegen.

Kommt der Wasserstrudel rechts heraus, dann hast du eine rechtsgehende Schraube. Das Heck wird nach links versetzt. Auf der anderen Seite sieht man nicht viel. Das Wasser wird gegen das Boot gedrückt und hat keine klare Austrittsmöglichkeit.

Kommt der Wasserstrudel links raus, ist deine Schraube linksgängig.

Sind dir einige Begriffe nicht bekannt, dann empfehle ich dir das Seglerlatein auf Segelplanet.de – Segelbegriffe für Anfänger auf Deutsch & Englisch einfach erklärt.


Tom von Segelplanet

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